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Die Ausbildung innovativer Organisationskulturen und -milieus an der Schnittstelle zwischen technischer Dienstleistung und Kunden

Kurzbeschreibung des Projekts:
Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts 'NovaMille' (Förderkennzeichen 01 HY 0359 – 01 HY 0363) war es, durch einen interdisziplinär fundierten Konzept- und Methodenmix Unternehmen in die Lage zu versetzen, markt- und technikbezogene Innovationspotenziale aus der Sicht der zwischenbetrieblichen Schnittstellen (Dienstleister-Kunde) transparent zu machen und so umzusetzen, dass die beteiligten Unternehmen nicht nur weiterhin erfolgreich in ihrer Zielerreichung sein können, sondern dass die Unternehmensproduktivität auf der Grundlage der neu gestalteten innovativen Organisationskulturen und -milieus wesentlich verbessert werden kann.

Kooperationspartner: (Informationen zu den Teilprojekten: www.novamille.de)
Prof. Dr.-Ing. J. Deuse (Lehrstuhl für Arbeits- und Produktionssysteme, Universität Dortmund) – GE Healthcare
Prof. Dr.-Ing. Th. Herrmann (Lehrstuhl für Informations- und Technikmanagement, Universität Bochum) – Adesso AG
Prof. Dr. H. Holzmüller (Lehrstuhl für Marketing, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität Dortmund) – EMC-Test/ELMOS
Prof. Dr. U. Kleinbeck (Lehrstuhl für Angewandte Organisationspsychologie, Universität Dortmund) – Degussa
Prof. Dr.-Ing. A. Kuhn (Lehrstuhl für Fabrikorganisation, Universität Dortmund) – ThyssenKrupp Xervon

Im Teilprojekt des Lehrstuhls für Allgemeine Soziologie stand die Identifizierung und Analyse informeller Innovationsmuster bei der Event- und Medienagentur Partysan Central GmbH (www.partysan.de) im Vordergrund. Durch Kontrastierung und Synthetisierung der Ergebnisse der beteiligten Partner wurden Erkenntnisse erarbeitet, die auf typische Innovationshemmnisse und -potenziale hinweisen sowie Gestaltungsspielräume zur Ausbildung innovativer Organisationskulturen und -milieus aufzeigen.

Zur Identifikation informeller Innovationsmuster beim Praxispartner Partysan Central GmbH wurden u.a.

  • teilnehmende Beobachtungen ('Arbeitsalltag'),
  • beobachtende Teilnahmen bei der Dienstleistungserbringung ('Reise-Events'),
  • sowie nicht-standardisierte Interviews mit Mitarbeitern durchgeführt.

Im Verlauf der Untersuchung hat sich gezeigt, dass der Aufbau, die Pflege und Koordination von (Unternehmens-) Netzwerken eine wichtige Rolle bei der Ausbildung innovativer Unternehmenskulturen und -milieus spielt, weswegen (über die genannten Methoden hinaus) auch Netzwerkanalysen beim Praxispartner durchgeführt wurden. Das empirische Vorgehen wurde flankiert durch theoretische Arbeiten (insbesondere zu den Themen Innovation, unternehmerisches Handeln und zur Bedeutung der Figur des Unternehmers).

Die auf Basis der empirischen Arbeiten identifizierten informellen Innovationsmuster, ebenso wie die 'entsprechenden' innovationsförderlichen Werthaltungen und Kulturmuster, wurden in Form von Musterbeschreibungen in das Unternehmen zurückgespielt. Durch die Reflexion der Ergebnisse konnten Verbesserungspotentiale im Sinne einer Intensivierung und konsequenten Weiterführung der identifizierten Strategien und Vorgehensweisen beim Praxispartner realisiert werden.

Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse:

  1. Spielraum Unternehmen



  2. Auf Basis der theoretischen Arbeiten zur Bedeutung der Figur des Unternehmers und der empirischen Erkenntnisse über die Vorgehensweisen der Protagonisten des Praxispartners, wurden unternehmenskulturelle Rahmenbedingungen identifiziert, die es in Organisationen handelnden Subjekten ermöglichen, sich als Unternehmer und Wirt zu verstehen und dergestalt zu handeln. Bewirtschaftendes Handeln ist für Unternehmen die Grundlage unternehmerischen Handelns. Durch die Bewirtschaftung von am Markt eingeführten Produkten können Ressourcen und Freiräume bereitgestellt werden, die einerseits der Modifizierung, Weiterentwicklung oder Nachverwertung von bereits bewirtschafteten Produkten (bewirtschaftendes Handeln) und andererseits der Entwicklung und Einführung von Produktinnovationen am Markt dienen (unternehmerisches Handeln).

    Das identifizierte Modell spielerischen Unternehmertums basiert zunächst darauf, dass Mitarbeitern Freiräume zugestanden werden, die sie eigenverantwortlich (und d.h. auch zweck- und zielungebunden) für die Verwirklichung eigener Ideen nutzen können - bzw. für all das, was ihrer Ansicht nach primär zunächst zur Entwicklung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten beiträgt und sekundär dem Unternehmen zugute kommt. Bei der Entwicklung und Realisierung innovativer Produkte steht wertrationales, d.h. einer Idee verpflichtetes und damit unternehmerisches Handeln im Vordergrund. Sobald innovative Produkte verwirklicht wurden und sich am Markt zu etablieren beginnen, wird wertrationales Handeln sukzessive durch zweckrationales, d.h. bewirtschaftendes Handeln ergänzt. Nachdem zunächst also die Umsetzung einer Idee im Vordergrund steht, kommt erst sukzessiv die Bewirtschaftung des Produkts in den Blick.

  3. Dialogische Praxis



  4. Die im Projekt aufgegriffene und weiterentwickelte Perspektive, Innovation als sozial konstruiert und damit (unternehmens-) kulturell bestimmt zu begreifen, erwies sich insbesondere im Rahmen der empirischen Untersuchungen beim Praxispartner Partysan Central GmbH als ausgesprochen fruchtbar. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher (unternehmens-) kultureller Vorstellungen an der Dienstleister-Kunden-Schnittstelle, so das Ergebnis der Untersuchungen, kann von FLE's gewinnbringend im Sinne der Strategie des 'cultural hacking' genutzt werden: In Organisationen handelnde Subjekte (und insbesondere FLE's) müssen darauf spezialisiert sein, Informationen mit der Aussicht auf Gewinn zu synthetisieren, indem sie Daten, Konzepte und Ideen auswerten, deren Bedeutung anderen Menschen nicht bewusst oder beachtenswert erscheint. Sie rekurrieren dabei auf soziale Netzwerke, um (permanent) Informationsströme aus anderen Bereichen der Wirtschaft und insbesondere aus dem Kundenkontakt in 'ihre Organisation' zu lenken. Die Strategie des 'cultural hacking' - d.h. die Sichtung unbekannten Terrains und die Orientierung darin sowie die Herauslösung zentraler Themen wie Trends aus diesen - ist von elementarer Bedeutung für Produktinnovationen. Ebenso wie die experimentell-spielerische Einführung neuer Elemente in diese Terrains oder die Übertragung bzw. Nachverwertung dieser in anderen Terrains.

    Die Ausbildung und Etablierung innovativer Milieus, welche durch besonders 'dichte' Kommunikation geprägt sind und 'cultural Hacking' an der Kunden-Dienstleister-Schnittstelle ermöglichen, setzt wechselseitiges Verstehen und Verständnis voraus. Das empirisch identifizierte und theoretisch weiterentwickelte Modell der dialogischen Praxis ermöglicht Verstehen und Verständnis im Sinne eines kommunikativen Akts des Herstellens gemeinsamer Bedeutungen durch die strategische Nutzung alltäglicher kommunikativer Kompetenzen der Mitarbeiter. Kunden können durch den Einsatz dieser Methode in den Prozess der Dienstleistungsentwicklung und -erbringung integriert werden und avancieren dergestalt zu Co-Produzenten bzw. Co-Innovatoren der Dienstleistung.

  5. Zyklische Produktentwicklung



  6. Im Verlauf der empirischen Arbeiten zu innovativen Unternehmenskulturen und -milieus sowie den damit korrespondierenden Überlegungen zur Entwicklung innovativer Dienstleistungen haben sich im Verbundprojekt auffällige Parallelen in den Bereichen Event- und Softwareentwicklung gezeigt. Sowohl bei der zyklischen Entwicklung von Events (Praxispartner Partysan Central GmbH) als auch bei der Erstellung von Individualsoftware (Praxispartner Adesso AG) wird im Management und bei der Projektdurchführung erfolgreich von Prinzipien agiler Methoden Gebrauch gemacht. Beiden Firmen gelingt es dabei, dass Kunden durch eine umfassende Einbettung in den Entwicklungsprozess zu Co-Produzenten von Dienstleistungen und Produkten avancieren.

    Durch den kontrastierenden Vergleich der Vorgehensweisen konnten beiden Praxispartnern wichtige Anregungen für die Vorgehensweise bei der Entwicklung von Innovationen vermittelt werden. Darüber hinaus wurden Grundzüge eines Modells zyklischer Produktentwicklung herausgearbeitet, welches die Basis für die Entwicklung einer Methode agiler Innovationsarbeit darstellt. Die iterative, zyklische Entwicklung von Produktinnovationen ermöglicht Unternehmen die Bewältigung komplexer Problemstellungen unter Berücksichtigung vielfältiger Kundenwünsche und -vorstellungen.
Projektlaufzeit: 01.09.2004 – 31.08.2007

Kontakt:
Dr. Arne Niederbacher

Publikationen:

  • Carell, Angela und Euteneuer, Matthias, 2006: Innovation und (Unternehmens-) Kulturen. Innovationsprozesse im Spannungsfeld von Dienstleister- und Kundenkultur. S. 19-33 in Angela Carell, Thomas Herrmann und Uwe Kleinbeck (Hg.): Innovationen an der Schnittstelle zwischen technischer Dienstleistung und Kunden. Band 1. Heidelberg: Physica

  • Euteneuer, Matthias, 2010: Unternehmerisches Handeln und romantischer 'Geist' – Selbständige Erwerbsarbeit in der Kulturwirtschaft (Dissertation an der FK 12 der TU Dortmund)

  • Euteneuer, Matthias, 2009: 'Kulturalisierung' der Ökonomie und die (Kultur)Soziologie. Warum eine steigende Nachfrage nach soziologischem Wissen trotz der 'Konjunktur von Kultur' fragwürdig erscheint. Sozialwissenschaften und Berufspraxis 32: 15-29

  • Euteneuer, Matthias und Niederbacher, Arne, 2006: Unternehmer spielen: Soziologische Anmerkungen zur Figur des Unternehmers bei Joseph Schumpeter. S. 67-82 in Angela Carell, Thomas Herrmann und Uwe Kleinbeck (Hg.): Innovationen an der Schnittstelle zwischen technischer Dienstleistung und Kunden. Band 1. Heidelberg: Physica

  • Euteneuer, Matthias und Niederbacher, Arne, 2007: Attraktiv und prekär: Der kulturwirtschaftliche Sektor und seine Potentiale. S. 115-125 in: Jörn Müller und Nora Sdun (Hg.): Wir sind woanders – Reader. Hamburg: Textem Verlag

  • Euteneuer, Matthias, Niederbacher, Arne und Ritterskamp, Carsten, 2007: Agile Methoden und zyklische Produktentwicklung an der Schnittstelle zwischen Dienstleister und Kunden. S. 203-211 in: Deryk Streich und Dorothee Wahl (Hg.): Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt: Personalentwicklung – Organisationsentwicklung – Kompetenzentwicklung. Frankfurt/New York: Campus

  • Euteneuer, Matthias und Niederbacher, Arne, 2008: Die dialogische Praxis an der Dienstleister-Kunden-Schnittstelle als Element innovativer Unternehmenskulturen und -milieus S. 107-129 in: Thomas Herrmann, Uwe Kleinbeck und Carsten Ritterskamp (Hg.): Innovationen an der Schnittstelle zwischen technischer Dienstleistung und Kunden. Band 2. Heidelberg: Physica

  • Euteneuer, Matthias, Kleutgen, Thomas und Niederbacher, Arne, 2009: Der Problemkunde als Premiumkunde. S. 131-136 in: Thomas Herrmann, Uwe Kleinbeck und Carsten Ritterskamp (Hg.): Innovationen an der Schnittstelle zwischen technischer Dienstleistung und Kunden. Band 2. Heidelberg: Physica

  • Euteneuer, Matthias, Niederbacher, Arne und Ritterskamp, Carsten, 2009: Agile Methoden und zyklische Event-Entwicklung: Zur Bedeutung der Dienstleister-Kunden-Schnittstelle im Rahmen der Produktentwicklung. S. 137-152 in: Thomas Herrmann, Uwe Kleinbeck und Carsten Ritterskamp (Hg.): Innovationen an der Schnittstelle zwischen technischer Dienstleistung und Kunden. Band 2. Heidelberg: Physica


 
 
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