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JUNGEN 2005 | |||||||
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JUNGEN 2005 - Eine Bestandsaufnahme Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse: (Im
Bereich der Freizeitgestaltung wird deutlich, dass die befragten
Jungen bei weitem keine homogene Gruppe sind. Ein Teil der Jungen
bevorzugt eher passive Freizeitbeschäftigungen wie Musik hören,
Fernsehen oder mit Freunden "rumhängen", ein anderer Teil verhält sich
aktiver und treibt z.B. Sport. Entsprechend ist auch der Anteil der
Jungen, die in einem Fußballverein sind, relativ hoch. Eine
ausgesprochen wichtige Rolle spielt auch der Computer bei der aktiven
Freizeitgestaltung von Jungen – sowohl das Spielen als auch die
Beschäftigung in und mit dem Internet. Nicht erfragt wurde, ob die
Jungen ihre Zeit vor dem Rechner alleine oder mit anderen Jungen
verbringen. Immerhin 14% der Jungen geben aber an, zur LAN-Szene zu
gehören; diese Jungen spielen also auch gemeinsam mit anderen
Jugendlichen Computerspiele. Abgesehen davon bezeichnet sich in dieser
Altersgruppe (erwartungsgemäß) nur ein sehr geringer Teil der Jungen als
zu einer Szene zugehörig. Im Vergleich zur ersten Dortmunder
Jungenbefragung hat sich an der Beliebtheit von Musikhören und Fernsehen
wenig geändert; beide Aktivitäten stehen nach wie vor an erster und
zweiter Stelle. In den letzten zehn Jahren ist jedoch Sport von
Rangplatz drei auf Rangplatz sechs gefallen. In der Freizeit ist es
wichtiger geworden, mit Freunden 'rumzuhängen' und im Internet zu
surfen. Auch das Lesen hat einen hohen Stellenwert; der Anteil der
Jungen, die angeben, in ihrer Freizeit gar nicht zu lesen, ist mit
insgesamt 12% gering. Die Jungen lesen ganz überwiegend Zeitungen oder
Zeitschriften; analog zu den Freizeitbeschäftigungen stehen
Computerzeitschriften an erster Stelle. Ein signifikanter Zusammenhang
zwischen dem Lesen und der Schulform besteht insbesondere hinsichtlich
des Lesens von Tageszeitungen, nicht aber hinsichtlich des Lesens von
Computerzeitschriften. Dennoch ist bemerkenswert, dass die Quote der
Jungen, die ihre Freizeit mit Lesen verbringt, in den letzten zehn
Jahren deutlich kleiner geworden ist. Überspitzt formuliert verdrängen
das Internet und Computerzeitschriften nicht nur die sportliche
Betätigung, sondern auch die traditionelle Lektüre (Jugendzeitschriften
wie Bravo, Comics und Belletristik). Die Beziehung der Jungen zum Vater wird nur von einem kleinen Teil der befragten Jungen positiv wahrgenommen: Die überwiegende Mehrheit von Jungen wählt als Vorbild nicht den Vater, sondern ganz andere, sehr unterschiedliche Idole. Hier zeigt sich durch die Vergleichsuntersuchung von 1995 eine deutliche Abnahme: Vorbilder sind insgesamt weniger wichtig geworden. Dies betrifft vor allem die früher häufiger genannten Filmhelden, aber eben auch den eigenen Vater. 1995 empfanden 35% der Jungen ihren Vater als Vorbild; heute sind es nur noch 16%. Bei der Analyse der Themen, die sie tatsächlich mit ihrem Vater besprechen, zeigt sich, dass es hierbei größtenteils um Schul- oder um Geldprobleme geht; ansonsten besprechen Jungen ihre Probleme lieber mit einem Freund oder lösen diese alleine (s.o.). Ein sehr distanzierter Umgang wird auch mit dem Weinen als starker Gefühlsäußerung gepflegt. Nur wenige Väter weinen vor ihren Söhnen, und auch wenn die Söhne weinen und die Väter das mitbekommen, ignorieren sie relativ häufig das Weinen. Dies ist sicher ein Grund für die Distanz zu den Vätern, denn für die Mehrheit der Jungen ist Weinen ganz normal. Kühle und patriarchal agierende Väter sind für die meisten Jungen nicht attraktiv. Festzustellen ist außerdem, dass Vorbilder heute – im Vergleich zur Dortmunder Jungenstudie von 1995 – aus ganz anderen Gründen attraktiv sind. Damals waren Beliebtheit und 'coole Sprüche' wichtig; sie erhielten die Rangplätze eins und zwei. Heute wird zum Vorbild, wer Dinge besser kann als man selbst oder wer viel weiß. Überspitzt formuliert: Jungen lassen sich von 'coolen Sprüchemachern' nicht mehr beeindrucken; heute ist die Mehrheit von ihnen kompetenzorientiert. Altruistische Motive ('Ein Vorbild ist jemand, der anderen Menschen hilft') gelten demgegenüber nicht mehr als so vorbildhaft wie noch 1995. Die Ergebnisse zu den Rollenbildern der Jungen weisen darauf hin, dass ein relativ hoher Anteil der befragten Jungen eher konventionelle Ziele und Werte vertritt, die im privaten Bereich zu verorten sind: Insgesamt streben etwa zwei Drittel der Jungen eine harmonische Familie oder Reichtum und Wohlstand als wichtigstes Lebensziel an, nicht Arbeit oder Selbstverwirklichung. Dies ist für partnerschaftlich geführte Lebensgemeinschaften sicherlich eine gute Voraussetzung. Die meisten Jungen sind mit sich selbst zufrieden und glauben, dass sie ihre Lebensziele durchaus erreichen können. Machohaftigkeit wird von den Jungen abgelehnt und mit Aggressivität, Misstrauen oder Arroganz assoziiert; als Rollenvorbilder dienen dagegen eher 'Typen', deren Eigenschaften in der bestehenden Gesellschaft Erfolg und Sicherheit versprechen. Auch die Antworten auf die Frage danach, wie eine Frau sein sollte, lassen darauf schließen, dass den Jungen einerseits traditionelle Werte wie Zuverlässigkeit, Treue und Angepasstheit wichtig sind, aber auch Witz und Intelligenz – 'Stärke' dagegen nicht. Sie scheinen sich eine kompetente, aufgeschlossene Partnerin zu wünschen, mit der sie jedoch nicht in Konkurrenz treten müssen. Ganz egalitär ist ihre Vorstellung von den Geschlechterbeziehungen noch nicht, da das Mannsein durchaus noch mit Stärke verknüpft wird. Für den Bereich des Schullebens zeigen die Ergebnisse, dass nur eine sehr kleine Minderheit der befragten Jungen Geschlechtertrennung befürwortet (abgesehen vom Sportunterricht), denn sie finden den Unterricht in koedukativen Lerngruppen interessanter und erhoffen sich dadurch auch die Möglichkeit, mit den Mädchen aus ihrer Lerngruppe zu flirten. Obwohl viele Jungen der Ansicht sind, dass die Mädchen von den Lehrkräften als fleißiger und angepasster wahrgenommen werden, haben die meisten Jungen, unabhängig von der Schulform, ein sehr positives Leistungsselbstbild und sind insbesondere der Meinung, dass sie durchaus erfolgreich sein könnten, wenn sie sich nur anstrengen würden. Jungen mit türkisch oder arabisch geprägtem Migrationshintergrund geben aber häufiger als die anderen Jungen an, mehr arbeiten zu müssen als andere, um erfolgreich zu sein. Anscheinend gelingt es den meisten Jungen ganz gut, die unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Erwartungen, die einerseits mit der Jungenrolle und andererseits mit der Schülerrolle zusammenhängen, zu balancieren: Sie bezeichnen sich einerseits als (zumindest potenziell) erfolgreich, andererseits erklären sie mangelnden Erfolg mit Umweltbedingungen oder aber, ganz in Übereinstimmung mit den Erwartungen ihrer Lehrkräfte, mit mangelnder Anstrengung. Im Vergleich zur ersten Dortmunder Jungenbefragung nehmen heute deutlich mehr Jungen als damals wahr, dass Mädchen für Ruhe im Unterricht sorgen. Insgesamt ist die Quote derjenigen Jungen gestiegen, die etwas neidisch auf die Mädchen blickt: Mehr Jungen als in der Studie aus dem Jahr 1995 meinen, Mädchen würden bevorzugt und hätten es leichter beim Lernen. Eine deutlich größere Gruppe von Jungen sagt heute, dass Lehrer und Lehrerinnen Mädchen deswegen höher schätzen als Jungen, weil sie Mädchen für fleißiger, lieber und intelligenter hielten. Die Unterschiede in den Zustimmungsquoten zu den entsprechenden Antwortvorgaben fallen ausgesprochen drastisch aus. Auch der enorm gestiegene Anteil der Jungen, denen in der Schule interessante Fächer fehlen, deutet auf einen relativ hohen Grad von Unzufriedenheit mit dem schulischen Alltag hin. Dies könnte erklären, warum im Vergleich zur ersten Befragung der Anteil der Jungen, die das Flirten in der Schule wichtig finden, leicht gestiegen ist. Das Anbahnen von erotischen Beziehungen ist für mehr als die Hälfte der Jungen heute eine wichtige Funktion von Schule. Jungen mit Migrationshintergrund können, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt, hinsichtlich ihres Bildungserfolges als relativ erfolgreich eingestuft werden; so besucht ein relativ hoher Anteil von ihnen ein Gymnasium. Außerdem ist unabhängig vom Migrationshintergrund eine relativ hohe Quote von Gesamtschülern festzustellen – dies ist vermutlich auf die relativ hohe Zahl der Gesamtschulen im Ruhrgebiet zurückzuführen. Wahrscheinlich ist, dass dies den Schulerfolg von Jugendlichen mit Migrationshintergrund unterstützt – womöglich insbesondere von Jugendlichen, deren Eltern aus Staaten stammen, in denen die Gesamtschule die Regel ist. Die hohen Schülerquoten der Gesamtschule gehen vor allem zu Lasten der Hauptschulen, aber auch Realschulen werden etwas seltener besucht als im Bundesdurchschnitt. Dies lässt darauf schließen, dass vielen Jugendlichen bewusst ist, dass ihnen der Besuch einer Gesamtschule gute Perspektiven eröffnen kann – bis hin zum Abitur und dem damit verbundenen Berufswahlspektrum. Im Hinblick auf die Einstellung der Jungen zum Thema Gewalt ist festzustellen, dass nur ca. ein Drittel von ihnen angibt, noch nie an einer harmlosen Klopperei beteiligt gewesen zu sein. Auch die Erfahrung, an einer ernsthaften Prügelei beteiligt zu sein, gehört offensichtlich zum Aufwachsen von Jungen dazu. Die Analyse der Zusammenhänge zwischen der Beteiligung an harmlosen Kloppereien bzw. den Gründen für eine ernsthafte Prügelei auf der einen und der Schulform bzw. dem Migrationshintergrund auf der anderen Seite ergibt, dass Realschüler mit Migrationshintergrund öfter, Förderschüler mit Migrationshintergrund seltener als ihre deutschen Mitschüler angeben, in harmlose Prügeleien involviert gewesen zu sein – unabhängig von ihrer Herkunftsregion. Dies macht deutlich, dass der Migrationshintergrund die unterschiedlichen Beteiligungsquoten von Schülern an solchen Gewaltaktivitäten nicht hinreichend erklärt. Obwohl der überwiegende Teil der Jungen berichtet, bereits Gewalterfahrungen mit Gleichaltrigen gemacht zu haben, würden sich nur sehr wenige Jungen als 'harten und brutalen Typ' bezeichnen. Im Unterschied zu den berichteten Erfahrungen mit Prügeleien ist hier aber der Migrationshintergrund entscheidend: Innerhalb der kleinen Gruppe, die sich so bezeichnet, sind es eher Jungen, deren Eltern aus der Türkei oder aus Staaten des arabischen Sprachraumes zugewandert sind, die angeben, ein solches Selbstbild zu haben. Gleichwohl sind Jungen, die sich als 'harten und brutalen Typen' bezeichnen würden, sehr deutlich in der Minderheit. Ebenfalls gibt auch nur ein geringer Anteil der Jungen an, sich in der Schule bedroht zu fühlen – dabei ist der Anteil der Schüler, die sich in der Schule bedroht fühlen, unter den deutschen Schülern etwas höher als unter den Schülern mit Migrationshintergrund. Eine stärkere Gewaltneigung von Jungen mit Migrationshintergrund kann also pauschal nicht festgestellt werden. Auch die Zusammenhänge zwischen der Schulform und der Einstellung zur Gewalt sind teilweise in sich widersprüchlich. Insgesamt können die gefundenen Zusammenhänge überdies als schwach gelten, sodass davon auszugehen ist, dass weitere Faktoren, die in der vorliegenden Studie nicht erhoben wurden, ebenfalls für die Einstellung der Jungen zum Thema Gewalt bedeutsam sind. Als Gesamtfazit ergibt sich, dass die Lebensentwürfe von Jungen ausgesprochen vielfältig und ausdifferenziert sind. Eine Reihe neuerer Untersuchungen zu Einstellungen und zum Verhalten von Mädchen und Jungen (bzw. von jungen Frauen und jungen Männern) belegt ähnlich wie in der vorliegenden Studie, dass Unterschiede zwischen den Geschlechtern abnehmen. Projektlaufzeit: 01.09.2005 – 30.04.2006
Kontakt: Publikationen: Koch-Priewe, Barbara, Niederbacher, Arne, Textor, Annette und Zimmermann, Peter, 2008: Jungen – Sorgenkinder oder Sieger? Ergebnisse einer quantitativen Studie und ihre pädagogischen Implikationen. Wiesbaden: VS Zimmermann, Peter, 1998: Junge, Junge! Theorien zur geschlechtstypischen Sozialisation und Ergebnisse einer Jungenbefragung. Dortmund: IFS-Verlag
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