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Diskursive Strategien 
der Legitimation des Krieges
 
 
 

Diskursive Strategien der Legitimation des Krieges
und der Wandel der politischen Kultur.
Eine Studie der Diskurse über Krieg in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel des "Golf"- und "Jugoslawienkrieges".


Kooperationsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Soziologie der Universität Siegen; Prof. Dr. Trutz von Trotha

Durchgeführt worden ist das Projekt von Michael Schwab-Trapp

In diesem Projekt ist die öffentliche Diskussion in Deutschland über den Krieg am Golf und in Jugoslawien untersucht worden. Im Zentrum der Analyse dieser Diskussion standen die diskursiven Strategien politischer Akteure, die in den Konflikten um die Legitimität dieser Kriege und die Rolle Deutschlands in diesen Kriegen eingesetzt wurden. Das Projekt hat Erträge in drei Dimensionen erbracht, die eng miteinander verbunden sind: Erstens eine Fortentwicklung der Theorie der politischen Kultur und ihres Wandels; zweitens ein methodisch-forschungspraktisches Instrumentarium zur Analyse der politischen Kultur und ihres Wandels; drittens die Rekonstruktion und inhaltliche Bestimmung von Kontinuität und Wandel der deutschen politischen Kultur anhand der Diskussionen über den Krieg am Golf und in Jugoslawien in vergleichender Perspektive. Dabei wurde die politische 'Kultur des Krieges' (Keegan) als einer der zentralen Bausteine erkennbar, aus denen sich die politische Kultur einer Gesellschaft zusammensetzt.

Das Projekt ist abgeschlossen. Laufzeit: 16.10.1998 bis 15.10.2001

Ein Bericht sowie diverse Publikationen liegen vor.

 

Nachruf
auf
Privatdozent Dipl.-Soz. Dr. phil. habil. Michael Schwab-Trapp
(1957 - 2004)

von Prof. Dr. Trutz von Trotha, FB1, Universität Siegen, 57068 Siegen

Am 14. Dezember 2004 starb Michael Schwab-Trapp im Alter von 47 Jahren. Seit Monaten litt er und wusste, dass sich ihm das Leben mit immer schnelleren Schritten entzog. Der nahe Tod wurde ihm zu einer Auseinandersetzung mit der Sinnlosigkeit, die er in Becketts ‚The Lost Ones’ auf unübertroffene Weise zum Ausdruck gebracht sah. Er antwortete darauf mit dem, was er seit Beginn seiner akademischen Laufbahn am liebsten tat: schreiben und lehren. Zwischen wiederkehrenden, leidvollen Krankenhausaufenthalten machte er seine jüngste Monographie über den „Kampf gegen den Terror. Eine Studie über die öffentliche Verarbeitung der Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und ihre Bedeutung für die politische Kultur des Krieges“ druckfertig und hielt an seinem Seminarplan zu den „theoretischen Grundlagen der qualitativen Sozialforschung“ fest; vierzehn Tage vor seinem Tod hielt er seine letzte Seminarsitzung am Fachbereich 1 der Universität Siegen. Es war die Freude an der Begegnung mit der Studentenschaft  und am Lehren. Es war auch sein Pflichtbewußtsein, sein unglaublicher Fleiß und seine unnachsichtige Selbstdisziplin in wissenschaftlichen und beruflichen Angelegenheiten. Sie waren außergewöhnlich und wesentliche Grundlage dafür, dass Michael Schwab-Trapp die Stufen der akademischen Ausbildung und Karriere schnell genommen hat.

Schwab-Trapp war relativ spät zur Hochschule gekommen - über Volkshochschule und Oberhausener Kolleg. Als er im Winter 1990 mit 33 Jahren und nach achtsemestrigem Studium sein Diplom als Soziologe von der Universität-Gesamthochschule Duisburg in der Tasche hatte und wusste, dass für ihn nur eine wissenschaftliche Karriere in Frage kam und er sich deshalb beeilen musste, hatte er das Glück, von Thomas Herz, der im Jahr 1995 selbst früh sterben sollte, für das Forschungsprojekt ‚NS-Konflikte seit 1945’ an der Universität-Gesamthochschule Siegen engagiert zu werden. Daraus wurde eine enge Zusammenarbeit, in der Schwab-Trapp die ersten Grundlagen seiner soziologisch-empirischen Diskursanalyse legte, der sein ganzes Forschen und Nachdenken galt - von seiner Dissertation über „Konflikt, Kultur und Interpretation. Eine Diskursanalyse des öffentlichen Umgangs mit dem Nationalsozialismus“ (Westdeutscher Verlag 1996), der gemeinsamen Publikation mit Thomas  Herz über „Umkämpfte Vergangenheit. Diskurse über den Nationalsozialismus seit 1945“ (Westdeutscher Verlag 1997), seine Habilitationsschrift an der Universität Siegen (Kriegsdiskurse. Die politische Kultur des Krieges im Wandel – 1991-1999, Leske und Budrich, 2002) bis zu seinem jüngsten, noch unveröffentlichten Werk. Schwab-Trapps Theorieentwurf gehört in meinen Augen gegenwärtig zum Besten, was die soziologische Diskursanalyse zu bieten hat. Den Kern dieser Diskursanalyse fasste Schwab-Trapp einmal in dem Satz zusammen: „Die Soziologie bedarf eines Diskursbegriffs, der es erlaubt, Diskurse in Analogie zu Durkheims Diktum, «Soziales nur durch Soziales zu erklären», als eigenständige Praktiken zu analysieren. Diese Praktiken bilden eine Ebene sui generis, die zu extradiskursiven Faktoren in einem Verhältnis der Ko-Konstitution steht.“

Seine wissenschaftliche Leidenschaft, für welche die berühmten emphatischen Formulierungen von Max Weber zweifellos eine angemessene Charakterisierung geben, war ganz davon bestimmt, die Bauteile und Prozesse dieser diskursiven Wirklichkeit zu entdecken und auf den Begriff zu bringen. Von Publikation zu Publikation hat Schwab-Trapp einen analytischen Begriffsapparat entwickelt, dessen Präzision, Stringenz und Eleganz bestechen. Entstanden ist eine Theorie, deren Konstruktion in der Sprache der zeitgenössischen Kunst als ‚theoretischer Minimalismus’ zu charakterisieren wäre, in der eine konflikttheoretische Wende gegen die mainstream-Forschung über politische Kultur vollzogen und die soziologische Theorie der politischen Kultur mit der Diskursanalyse zusammengebracht wird. Es ist ein Entwurf, der auf dem Primat der empirischen Forschung besteht, in der für Schwab-Trapp in der Tradition der ethnographischen Forschung die Einzelfallanalyse der Königsweg ist. „Einzelfall“ heißt für Schwab-Trapp eine „Handlungseinheit, die eine eigene Geschichte besitzt“, sei es eine Person, eine Familie, eine Organisation, eine Subkultur, eine ganze Gesellschaft oder ein spezifischer Konflikt. Die detaillierte Einzelfallanalyse bot Schwab-Trapp die Gewähr für den Primat der Empirie und die Gegenstandsbezogenheit soziologischer Theorie.

Schwab-Trapps empirische Forschung wird auch dann noch Bestand haben, wenn die theoretischen und methodischen Grundlagen, die Schwab-Trapp entwickelt hat, aufgenommen, fortgeführt und notwendigerweise verändert sein werden. Schwab-Trapp hat in seinen Publikationen eine Geschichte über zwei Diskurse geschrieben, von denen der eine über den Nationalsozialismus der wichtigste Diskurs der ‚alten’ Bundesrepublik war, der zweite über den Krieg zu den wichtigsten Diskursen der wiedervereinigten Bundesrepublik zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehört. Es ist eine kritische Geschichte, vor allem eine kritische Geschichte der deutschen Eliten, deren diskursive Legitimationsgrundlagen sich im Verlaufe von sechs Jahrzehnten grundlegend geändert haben: von der konfliktreichen Geschichte der Abgrenzung zum Nationalsozialismus über das spannungsgeladene Aufeinandertreffen der Diskurse über NS- und SED-Vergangenheit bis zum radikalen Wandel der Kultur des Krieges in der deutschen politischen Kultur der Gegenwart, in der nach den Forschungen von Schwab-Trapp die Tabuisierung des Krieges durch die menschrechtliche Rechtfertigung des Krieges abgelöst wird. Die eindrucksvoll materialreichen Studien sind bleibende Beiträge zur Geschichte der Legitimationsgrundlagen und -kämpfe der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Parteien, Protagonisten der öffentlichen Debatten und Medien. Soziologen sollten auf die Lektüre der Forschungen von Schwab-Trapp nicht so lange warten, bis die Historiker sie für sich entdeckt haben werden.

Schwab-Trapp beschäftigte sich nicht zuletzt mit Diskursen, weil ihn öffentliche Rede und die tatsächliche oder imaginierte Macht des Wortes, Intellektuelle und deren Virtuosität, sich zu allem etwas einfallen zu lassen, faszinierten. Gleichzeitig fühlte und bewahrte er zu diesen Lebenswelten eine große Distanz. Schwab-Trapp liebte Bücher, darunter avantgardistische Literatur. Sie waren ihm Schätze und Freunde. Er trug sie in seiner schnell wachsenden Bibliothek nicht nur zusammen, sondern las sie auch alle. Die intensive Lektüre von Theodor Adornos Schriften, die er als Jugendlicher begann, trug nicht unwesentlich dazu bei, daß Soziologie seine Leidenschaft wurde. Öffentliches Engagement, die Selbstgewißheit, die es verlangt, die Vereinnahmung und tatsächlichen oder imaginären Zugehörigkeiten, die mit ihm einhergehen, waren Schwab-Trapps Sache allerdings nicht. Das entschiedene Wort behielt sich Schwab-Trapp für seine wissenschaftliche Argumentation, das engagierte für Diskussionen im kleinen Kreis vor.

Nicht im selben Maße wie zur Welt der engagierten öffentlichen Rede distanzierte sich Schwab-Trapp von professionspolitischen Erwartungen. Viele unter den Mitgliedern der Sektion ‚Politische Soziologie’ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie haben ihn als einen derer kennengelernt, welche sich sehr für sie eingesetzt haben. Dazu gehörte auch die Siegener Tagung, die er 1998 zusammen mit Sighard Neckel über die politische Soziologie der Gewalt und des Krieges organisiert hat (Ordnungen der Gewalt, Leske-Budrich 1999). Aber Schwab-Trapp ließ auch in diesem Zusammenhang nicht von der ihn kennzeichnenden Zurückhaltung. Als Jugendlicher und junger Mann hatte Schwab-Trapp sich zu ausgiebig in sehr unbürgerlichen Lebenswelten bewegt, um sich später ungebrochen von ihnen vereinnahmen zu lassen. Hinzu kam ein Maß an Bescheidenheit und Sanftmut, die in der lauten Welt der Selbstdarstellung, die professionelle Einrichtungen kultivieren, nicht paßten. Bei Schwab-Trapp war sie Teil eines wissenschaftlichen und theoretischen Ernstes, der heutzutage fast altmodisch erscheint.

Neben seiner mehr als 13 Jahre währenden Verbundenheit mit der Universität Siegen, arbeitete Schwab-Trapp intensiv mit Ronald Hitzler in Dortmund zusammen. Sein jüngstes Buch „Kampf gegen den Terror. Eine Studie über die öffentliche Verarbeitung der Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und ihre Bedeutung für die politische Kultur des Krieges“ war ein Auftrag des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Er hatte noch so viel vor. Sein Tod ließ ihm nicht die Zeit. Es ist an uns, uns jetzt die Zeit zu nehmen, die blendenden Studien von Michael Schwab-Trapp gründlich zu lesen.


 

 
 
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